Mit solcher Leidenschaft und Inbrunst kann nur ein Russe lieben. Ein Held des Alltags, der seiner Frau nur in den Pelz hilft, um nicht Schnee schippen zu müssen, sie mit Handkuss begrüßt, um seine Wodkafahne vor ihr zu verbergen. Dies behaupten zwei, denen man Glauben schenken sollte: Olga Lomenko, gebürtige Ukrainerin, und Dimitrij Sacharow, seit zehn Jahren ein glückliches Bühnenpaar.
Sie luden am Freitagabend im Friedrichshafener Atrium zum „IV. Internationalen Kongress zur Sexualforschung und Sexualpsychologie“. Die Rollen sind klar verteilt: Am Rednerpult die heißblütige Olga, im Hintergrund der Bühne Assistent Dimitrij, der auf seinem Stühlchen ausharrt, bis die Professorin ihm in matriarchaler Manier und mit bemerkenswerter Stimmgewalt Befehle zubellt.
Das sei in russischen Beziehungen so, erklärt Olga: „Die Frau holt ihren Mann tagsüber vom Sockel, und nachts richtet sie ihn wieder auf.“ Verunsichert von der Dominanz der urweiblichen Ausstrahlung Olgas, hat Dimitrij die für den Vortrag benötigte Videokassette schnell in Bandsalat verwandelt. Eine willkommene Gelegenheit für die beiden Kabarettisten, zu improvisieren. „Die Popkultur ist ein internationaler Brennspiegel der sexuellen Sehnsüchte“, leitet Olga ein und schickt in der Folge das Publikum auf eine musikalische und tänzerische Gondelreise durch Venedig.
Mit Finesse, Ironie und Klischee erläutert das Duo die globalen Liebes- und Lebensarten. Von erotischen Vagabunden und Muttersöhnchen in Spanien wird erzählt und von amerikanischer Bigotterie. Oder von Japan, wo ein Samurai nicht diskutiert, ob er den Müll runterbringen soll und seine Libido mit Reikiübungen in Grenzen halten muss, weil sonst die reispapierdünnen Wände zusammenbrechen. Vom Franzosen wird erzählt, der mit Savoir-Vivre seiner Angebeteten gleich gemeinsam mit dem Gondoliere Avancen macht. „Aber wenn der rätselhafte Unbekannte wirklich gut aussieht, intellektuell schweigend in der Gondel sitzt, sich für seine Landsleute als Touristen entschuldigt, einer Dame zaghaft und zögernd die Hand aufs Knie legt, um gleichzeitig einen Korb zu fürchten, dann kann es sich nur um einen Deutschen handeln“, erzählt Olga Lomenko ihrem Publikum.
Es dauert etwas, bis Olga so richtig in Fahrt kommt, aber dann lebt sie auf der Bühne stimmgewaltig alle Facetten geballt-globaler Weiblichkeit aus. Sie verheiratet zwei wildfremde Menschen im Publikum, trinkt darauf ein Glas Sekt in einem Zug und vergisst danach nicht, ins Mikrofon zu rülpsen. Laszivität löst Wildheit ab, so sind die Frauen: Denn gleich darauf räkelt sich Olga unter der Klavierbegleitung von Dimitrij in schwarzer Unterwäsche auf einem Stuhl und haucht das Lied „Etienne“. Zum Schluss schickt sie das Publikum mit „Lass es Liebe sein“ romantisch durchtränkt nach Hause.
Quelle: Südkurier